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Der Hype ums Brautkleid – Traum oder Albtraum?

Der Hype ums Brautkleid – Traum oder Albtraum?

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Johannes Zakouril


Premium (Pro), Neu-Ulm

Der Hype ums Brautkleid – Traum oder Albtraum?

»Seit einigen Jahren ist die Braut als Instanz und Rolle auch in unseren Breiten wieder in Mode gekommen und mit ihr das klassisch weiße Kleid.«

Das führt zu der Frage, seit wann denn überhaupt in weiß geheiratet wurde und gab es das Brautkleid in der heute üblichen Modell- und Stilvielfalt schon immer? Und warum ausgerechnet weiß, wollweiß, elfenbein und Cremetöne?

Weiß steht im westlichen Kulturkreis für Unschuld und Jungfräulichkeit, für Unsterblichkeit und Unendlichkeit, Reinheit. Bezogen auf Religion bedeutet weiß im Judentum und als liturgische Farbe im Christentum Heiligkeit.
Man könnte daraus schließen, dass die Braut den Bund der Ehe immer schon in weiß gekleidet einging. Die bürgerliche Braut des 18. Jahrhunderts trug jedoch meist kein speziell angefertigtes, sondern ein festliches Kleid, das sie später weiter verwendete. Farbigkeit und Musterung der Hochzeitskleider variierten stark und ließen keine verbindliche Gemeinsamkeit erkennen, die Schnitte folgten immer der jeweils aktuellen Mode.

Die höfische Brautrobe wurde bereits ab dem Spätmittelalter aus weißen, mit Silber und Gold durchwirkten Stoffen gefertigt. »Die Silber- und Goldbrokate sind in ihrem Farbcharakter mit weiß gleichzusetzen«. Auch Pastelltöne wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer öfter eingesetzt.

Mit der französischen Revolution und schon davor im Zuge der Aufklärung und Begeisterung für die Antike kamen die fülligen Roben sowie das dazugehörige Korsett aus der Mode. Es wurden nun hochtaillierte (Chemisenkleider) in schmaler Form, gefertigt aus Baumwollstoffen, getragen.

Die neue Modefarbe wurde, wie 1789 aus Paris berichtet, weiß: »Weiß ist jetzt die allgemeine Tracht, ein edler, guter Geschmack?«

Im Gegensatz zur Seide konnte Rohbaumwolle in großem Maßstab angebaut, gewaschen und geblichen werden, was die praktischen Voraussetzungen für die Popularität weißer Kleider bot.

Nun kamen, zunächst in den höheren Gesellschaftsschichten, auch weiße Brautkleider mit Schleier und Blumenschmuck auf, doch wurden diese Kleider nicht nur zur Hochzeit getragen, sondern zählten zur allgemeinen Festkleidung.

Die weibliche Kleidung gewann nach diesem modischen Umbruch bald wieder an Farbigkeit, das Hochzeitskleid jedoch blieb hell. Die helle Nuance signalisierte die Exklusivität und den besonderen Status der Braut. Die Vorliebe für weiße Brautkleider verfestigte sich, es gab jedoch weiterhin Ausnahmen von dieser Regel.

Die einfache Bevölkerung konnte sich den Luxus eines solchen Hochzeitskleides für nur diesen einen Tag nicht leisten. Sie trug farbige oder schwarze Brautkleider, die schon als Sonntags- oder Festtagskleid in Gebrauch waren und es weiterhin blieben, oder die für die Hochzeit genäht und dann weiter getragen wurden. Das gilt besonders für die ländlichen Regionen, wo die jeweilige Tracht noch selbstverständlich war.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und den in zwanziger Jahren folgenden Umbrüchen in Politik, Gesellschaft und - als deren Spiegel - der Mode, wurde die Kleidung bequemer, die Folgen dieser Wandlungen waren auch an den Brautkleidern zu sehen. Die Modelinie war sachlich schlicht, die Säume rückten erstmals in knieumspielende Höhen.

In den 1930er Jahren wurden die Kleider wieder länger, figurbetonter geschnitten, die Linien und Materialien fließend und elegant.

Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und in der Notzeit danach wurde es schwierig, in einem ausschließlich für die Hochzeit angefertigten oder gekauften Kleid zu heiraten. Man arbeitete lieber alte Kleider um, die vorhandenen Bezugsscheine, mit denen man Stoff bekommen konnte, wurden für praktische Kleidung benötigt - wenn überhaupt ein Stoff zu bekommen war. So heiratete man dem Gebot der Not nach auch in schwarzen oder farbigen Kleidern, die mit dem Anlass entsprechenden Accessoires gestaltet wurden.

Nach den kargen Zeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre kamen die Brautkleider der 1950er Jahre wieder sehr opulent daher.

Ab Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre, begann ein schlichterer Stil die Mode zu dominieren, der wie bei allen Moden der vergangenen Zeit auch auf die Brautmode Einfluss hatte. Die A- und H-Linie mit glatten Stoffbahnen und geraden geometrischen Linien setzten sich durch. Die Brautschleier wurden häufig sehr kurz und oft mit Hüten oder Hütchen wie der berühmten »Pillbox« kombiniert.

Es waren nicht nur die Modetrends selbst, die sachlichere Formen auch der Brautmode auslösten, die Veränderungen der Gesellschaft in den 1960er und 1970er Jahren führten dazu, dass die Institution Ehe, damit die Hochzeit und also auch die klassische Braut in weiß in vielen Teilen der Bevölkerung in Frage gestellt wurde. Die »wilde Ehe« wurde zur Normalität, die sexuelle Revolution fegte bürgerliche Traditionen über Bord und die unschuldige Braut gleich mit. »Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment...«

Zu Beginn der 1980er Jahre lebte die fast schon totgesagte Braut in weiß in vollem Prunk wieder auf. Als ein Auslöser dafür könnte das stoffreiche Kleid gelten, das Lady Diana Spencer 1981 anlässlich ihrer Hochzeit mit Prinz Charles trug. Die Brautmode wurde wieder verschwenderisch, inspiriert von den verschiedensten historischen Epochen und ihrer Stilvielfalt.

Röcke in enormen Weiten mit Pettycoats und Reifröcken darunter, Puffärmel und Keulenärmel, auch Turnüren und dazu Unmengen an Spitzen und Perlen machten die Braut wieder zu der Prinzessin, als die sie im 19. Jahrhundert vor den Altar trat. Träume von Romantik und Sehnsucht nach konservativen Werten mögen für die Bräute bzw. Paare, die sich heute wieder für eine aufwendigere Hochzeit, nicht nur auf dem Standesamt, sondern auch in der Kirche und »ganz in weiß mit einem Blumenstrauß« sicher wieder eine Rolle spielen.
Die Braut heute ist nicht mehr an Vorschriften gebunden, fast alle früheren Tabus in Sachen angemessener Kleidung sind gefallen. Sie kann aus einem riesigen Angebot vom Organzazuckerschaumtraum bis zum schlichten Etuikleid ihren persönlichen Vorlieben entsprechend wählen, ja sie kann auch hochschwanger in weiß heiraten, was bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts unmöglich gewesen wäre: Bräuten, die nicht jungfräulich in die Ehe gingen, wurde damals kein weißes Kleid zugestanden.

Abschließend lässt sich sagen, dass es das weiße Brautkleid, wie es uns heute vor Augen schwebt, noch gar nicht so lange gibt, wie mancher vielleicht glaubte: Seine nachvollziehbare Geschichte begann im 18. Jahrhundert, seinen Siegeszug trat es mit dem 19. Jahrhundert an, und seine Formen folgten immer den aktuellen Moden. Aus diesem Fundus der Modegeschichte bedient sich heute die Designerbranche häufig und gerne, bietet doch Brautmode den einzig übriggebliebenen Raum für Kleiderträume.
Quelle:Altoner,Jenischhaus

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