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Dr. Käspi


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Süsser Schlaf

Man gähnt vergnügt und löscht die Lampen aus.
Nur auf der Straße ist noch etwas Licht.
Man legt sich nieder. Doch man schläft noch nicht.
Der Herr von nebenan kommt erst nach Haus.
Man hört, wie er mit der Dame spricht.

Nun klappt man seine Augendeckel zu,
und vor den Augen tanzen tausend Ringe.
Man denkt noch rasch an Geld und solche dinge.
Im Nebenzimmer knarrt ein kleiner Schuh.
Wenn doch die Dame in Pantoffeln ginge!

Man legt den Kopf auf lauter kühle Kissen
Und lächelt in den dunklen Raum hinein.
Wie schön das ist: Am Abend müde sein
Und schlafen dürfen und von gar nichts wissen!
Und alle Sorgen sind Zwerg klein.

Der Herr von nebenan ist froh und munter.
Es klingt, als ob er ohne Anlass lacht.
Man hebt die Lider schwer und senkt die sacht
Und schließt die Augen – und die Welt geht unter!
Dann sagt man sich persönlich Gute Nacht.

Wenn bloß der Schwarze dieses Mal nicht käme!
Er steigt ins Bett und macht sich darin breit
Und geht erst wieder, wenn man furchtbar schreit.
Man wünscht sich Träume, aber angenehme,
und für Gespenster hat man keine Zeit.

Man war einmal ein Kind, ist das auch wahr?
Und sagte mühelos: „Mein Herz ist rein.“
Das würde heute nicht mehr möglich sein.
Es geht auch so, auf eigene Gefahr ...
Man zählt bis dreiundsiebzig. Und schläft ein.

Erich Kästner „Lob des Einschlafens“


Oh du Süsser Schlaf
Oh du Süsser Schlaf
Dr. Käspi

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