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Thomas Kroll


Premium (World), Berlin - Wannsee

Oberbaumbrücke

Geschichte Die Urahnin der Oberbaumbrücke ist eine Spreequerung aus Holz, der die heutige Brücke ihren Namen verdankt. Nachts verschloss man die Brücke mit einem schweren, mit Nägeln versetzten Stamm, dem Baum. Tagsüber trieb man an der Spreequerung Zölle ein. Das war Anfang des 18. Jahrhunderts. Fast 200 Jahre später, 1896 nämlich, stellten Bauarbeiter die heutige Brücke nach den Entwürfen der Firma Siemens & Halske — dem Vorgänger des heutigen Siemens Konzerns — fertig.Eine solide Brücke im neugotischen Stil war entstanden. Die Türme, die den mittleren Brückenbogen flankieren, sollen an die Geschichte der Brücke als Zollstelle auf dem Wasser erinnern. Bis zu den herausragenden Wehrgängen mit den runden Fenstern sind sie identisch, darüber aber unterscheiden sie sich: Der eine ist rund, der andere achteckig, der eine trägt den Berliner Bären auf der Spitze, der andere den Brandenburgischen Adler.


Entlang der Türme fuhr oben ab 1902 die erste U-Bahn-Linie Berlins, die heutige U1. Unterhalb davon befindet sich für die Fußgänger*innen ein Kreuzgang, der den Gängen in mittelalterlichen Klöstern nachempfunden ist. Die Architektur des Gangs verfehlt ihre Wirkung nicht: Ein bedächtiges Gefühl macht sich oft breit, wenn man hier die Spree überquert und nach oben blickt oder durch die bogenförmigen Fenster auf den Fluss und auf die Stadt schaut.Nein, die Oberbaumbrücke ist keine gewöhnliche Brücke. Sie spiegelt die Stadt in all ihren Facetten wieder: Sie ist Unterschlupf für obdachlose und arme Menschen, die Berlin ebenso prägen wie alle anderen und im Kreuzgang ihr Lager aufschlagen. Wenn gerade keine Pandemie ist, taumeln am Wochenende und am Montagmorgen vormittags die Feierwütigen über sie hinweg und durch sie hindurch, einfach so, von Ost nach West und von West nach Ost. Denn das ist die Brücke auch: eine Verbindung zwischen Ost und West und Symbol der ehemals geteilten Stadt, die wieder zusammengewachsen ist.

Doch bevor die Brücke ihren Nutzen mit dem Bau der Mauer und den Wirren des Kalten Krieges fast komplett verlor, fügten ihr die Nazis den wohl größten Schaden zu, den sie bis heute erleben sollte. Um die Rote Armee daran zu hindern, die Spree zu überqueren, sprengten sie das Mittelstück der Brücke. Nach dem Krieg wurde die Brücke schnell repariert, einige Kriegsschäden waren aber noch bis 1992 erkennbar.

Benutzbar war sie trotz der Reparaturen lange nicht. Zuerst sperrten die DDR-Behörden die Brücke für Autos und Straßenbahnen, 1955 auch für Motorräder und Fahrräder. Fußgänger*innen allerdings bewegten sich über die Brücke noch bis zum Bau der Mauer rege von Ost nach West. Auf der Kreuzberger Seite konnten Ost-Berliner*innen in Wechselstuben Geld tauschen und Dinge wie Kaugummis und Nylonstrümpfe kaufen. Ab dem 13. August 1961 war dann Schluss mit dem Grenzverkehr und die Brücke verlor für fast 30 Jahre ihre Bestimmung. Außer, wenn freigekaufte politische Gefangene aus der DDR ausreisen durften, überquerten manchmal noch Menschen die Brücke.70 Millionen D-Mark kostete die Instandsetzung der Brücke nach der Wiedervereinigung. Für die Reparatur des Mittelteils mit den beiden Türmen lobte die Stadt einen Architektenwettbewerb aus. Der berühmte Baumeister Santiago Calatrava gewann.

Good to know Die Oberbaumbrücke stand immer wieder im Mittelpunkt von Protesten gegen den Autoverkehr. Zuerst 1995, als die erste U-Bahn wieder über die Brücke rollte, wehrten sich Berliner*innen und Umweltverbände gegen motorisierten Individualverkehr über die Brücke und kämpften für Straßenbahnen auf der Oberbaumbrücke. Tatsächlich wurden in der ersten Hälfte der 1990er Jahre Gleise auf der Brücke verlegt. In Benutzung sind sie bis heute nicht.

Fast 30 Jahre später, im Oktober 2019, besetzten Aktivist*innen von Extinction Rebellion die Brücke, lösten ein Verkehrschaos aus und machten klar: Sie wollen keinen Autoverkehr über die Oberbaumbrücke. Am besten sollten private PKW gleich aus dem Stadtraum innerhalb des S-Bahn-Rings verschwinden. Eine Forderung, die viele der grünen Bürger*innen aus Friedrichshain-Kreuzberg unterstützen dürften. Quelle TIP Berlin

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