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Auschwitz-Birkenau 2019 (30)

Auschwitz-Birkenau 2019 (30)

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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Auschwitz-Birkenau 2019 (30)

Mit diesem Foto werde ich vorerst meine Auschwitzdokumentation aus der Reise im Februar 2019 beenden.
Es liegen zwar noch Fotos auf "Halde" - aber die hebe ich mir noch auf...

Dziunia Libermann erinnert sich in einem Gedicht an den 21. September 1944 als ihre Mutter als arbeitsunfähig ausgesondert wurde:


Herbstliche Kälte fraß sich ins Innere.
Drang durch die Lumpen bis zu den Knochen.
Und Mutter zitterte an diesem Tag so entsetzlich.
Als ob sie unser Unglück im Voraus spürte.
Und dieser Tag, der mit diesem schlechten Gefühl begann,
wurde nun für immer schrecklich und verflucht.
Oh, was für ein Unglück hat mich getroffen,
dass das schlechte Leben den Körper meiner Mutter zerstörte!
Warum bloß hat sie sich so für uns aufgeopfert,
warum hat sie sich so wenig um sich selbst gekümmert.
Jetzt ist der Tag meines Lebens vergiftet,
Mich quälen schlechte Gedanken, Sehnsucht, Vorwürfe.
Als an diesem Tag angekündigt wurde, dass eine Musterung stattfinden würde,
sah sie gleich noch viel schlechter aus.
Nackt, in der Kälte, ist sie richtig blau angelaufen.
Sie hat sich so verkrampft, fast sah es so aus, als wäre sie kleiner geworden.
Und das während eines Handels mit lebender Ware.
Sie haben sich einen jungen, kraftstrotzenden Harem ausgesucht.
Und meine Mutter, so jung von ihnen kaputt gemacht,
wurde wie ein Fetzen von ihnen abgelehnt.
Auf die andere Seite stellten sie meinen jungen Körper,
und das Herz brüllte vor Schmerz und wurde verrückt.
Sprachlos vor Verzweifelung, mit Schluchzen und Zittern,
tauschte ich mit meiner Mutter einen letzten Blick aus.
Und so viel wilde Verzweifelung war in diesem Blick,
dass er sich in mein Gehirn gebrannt hat und ich sie nur noch nackt und blau angelaufen sehen kann.
Wie ein Ausrufezeichen der Verzweifelung.
So wurde mir meine liebe Mama genommen,
und ich blieb zwischen Fremden allein zurück.
Die Leute betrachteten das sehr unterschiedlich und schenkten verschiedene Worte des Trostes.
Die, die ein Herz aus Stein haben,
sagten, sie haben die Schwachen zur Hinrichtung geführt.
Und ich weiß nicht, welcher Macht ich es verdanke,
dass ich nicht starb, als ich durch die Nacht auf den Schornstein sah.
Auf der einen Seite Feuer, auf der anderen Trost,
das alles legte sich wie ein Albdruck auf meiner Seele.
Und bedrückt mich so stark und hat mich um Jahrhunderte älter gemacht.
Ich kann nicht mehr lachen, es gibt für mich keine Freude mehr.
Ich schickte die Tage meiner Jugend fort, der Mutter hinterher.
Sie nahm mein Herz mit. Ich blieb als Stein zurück.
Bis in alle Ewigkeit dem letzten Anblick meiner Mutter ausgesetzt.
Aber ich zerbreche nicht. Ich muss durchhalten und leben,
muss stark sein und leben und mich rächen.
Ein Leben rächen, das so jung ausgelöscht wurde.
Die Waise rächen, die dadurch zurückblieb.
Für alle Kinder, denen die Mutter genommen wurde.
Vergeltung für jedes blutende Herz.
Beruhige dich, Herz, du brüllst umsonst vor Schmerz.
Oh, liebe Mutter, für mich lebst du !

(Quelle: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 - 1945 / Band 16: Das KZ Auschwitz 1942-1945 und die Zeit der Todesmärsche 1944/45)

Für die S/W Fans:

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Stefan Schwetje



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