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Kurt A.Fischli


Free Account, Wernetshausen

Verwandlung

an der Westküste von Paxos

"Siddhartha bückte sich, hob einen Stein vom Erdboden auf und wog ihn in der Hand."

"Dies hier", sagte er spielend, "ist ein Stein, und er wird in einer bestimmten Zeit vielleicht Erde sein, und wird aus Erde Pflanze werden, oder Tier oder Mensch. Früher nun hätte ich gesagt: Stein ist bloß ein Stein, er ist wertlos, er gehört der Welt der Maja an: aber weil er vielleicht im Kreislauf der Verwandlungen auch Mensch und Geist werden kann, darum schenke ich auch ihm Geltung. So hätte ich früher vielleicht gedacht. Heute aber denke ich: dieser Stein ist Stein, er ist auch Tier, er ist auch Gott, er ist auch Buddha, ich verehre und liebe ihn nicht, weil er einstmals dies oder jenes werden könnte, sondern weil er alles längst und immer ist- und gerade dies, daß er Stein ist, daß er mir jetzt und heute als Stein erscheint, gerade darum liebe ich ihn, und sehe Wert und Sinn in jeder von seinen Adern und Höhlungen, in dem Gelb, in dem Grau, in der Härte, im Klang, den er von sich gibt, wenn ich ihn beklopfe, in der Trockenheit oder Feuchtigkeit seiner Oberfläche.
Es gibt Steine, die fühlen sich wie Öl oder wie Seife an, und andre wie Blätter, andre wie Sand, und jeder ist besonders und betet das Om auf seine Weise, jeder ist Brahman, zugleich aber und ebensosehr ist er Stein, ist ölig oder seifig, und gerade das gefällt mir und scheint mir wunderbar und der Anbetung würdig. - Aber mehr laß mich davon nicht sagen. Die Worte tun dem geheimen Sinn nicht gut, es wird immer alles gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht, ein wenig verfälscht, ein wenig närrisch - ja, und auch das ist sehr gut und gefällt mir sehr, auch damit bin ich sehr einverstanden, daß das, was eines Menschen Schatz und Weisheit ist, dem andern immer wie Narrheit klingt."

Hermann Hesse Siddhartha

Zahn der Zeit
Zahn der Zeit
Kurt A.Fischli

Commenti 4

  • Evelyn Kopp 18/03/2009 11:27

    "Er blickte um sich, als sähe er zum ersten Male die Welt. Schön war die Welt, bunt war die Welt, seltsam und rätselhalft war die Welt! Hier war Blau, hier war Gelb, hier war Grün (...), alles schön, alles rätselvoll und magisch, und inmitten er, Siddhartha, der Erwachende, auf dem Wege zu sich selbst." Siddharte, Hermann Hesse
    Wohnen in Gelb und Rosa
    Wohnen in Gelb und Rosa
    Evelyn Kopp
  • Thomas Heuer 14/10/2006 21:31

    könnte auch ein Kamelkopf sein...
    Hesse und Siddhartha passen sehr schön dazu!
    Liebe meditative Grüße aus dem Norden Thomas
  • Britta Baumann 14/10/2006 21:21

    Was bleibt da noch zu sagen,
    er sieht lebendig aus, als haette er eine knautschige, dicke Haut,
    den Text muss ich wohl erst noch mal in Ruhe lesen,
    sehr greifend,
    Liebe Abendgruesse,
    Britta
  • Susann Kahlcke 14/10/2006 21:05

    ein schlafender Affe.........da rechts und ganz viele andere Gesichter..........staun
    Lieben Gruß
    Susann