• Per Anhalter 42 21/04/2024 10:23

    Ich bin vor mehr als 30 Jahren da irgendwie reingerutscht... sicher auch damals mit einem Horizont, der bestimmte Sachen noch gar nicht so reflektieren oder einordnen oder bewerten konnte, wie ich es jetzt kann. Bereits am Anfang habe ich etwas verstanden, was ich bis dahin nie verstanden habe - den Gleichschritt vieler Menschen, Blind- und Taubheiten, Wünsche nach Sicherheiten, nach Zugehörigkeit, nach Orientierung und eine Dynamik, wie sie sich nur in der Versammlung von emotional aufgeladenen Massen ergibt. Wer nicht verstanden hat, wie Riefenstahl Bilder und Filme machen konnte, wie es Aufmärsche, Fackelzüge geben konnte, der gehe auch heute noch in ein Fußballstadion, weil die Basis Sicherheit und Orientierung und Gleichklang und das Gefühl ist, wer zu sein. Auch Trump benutzt genau diese Trigger bei seinen Veranstaltungen... wir sehen das mit unserem Verstand, aber verstehen es nicht. Man kann es nur mit den Emotionen verstehen, die dort wirken ... und nur, was man versteht, anerkennt (dass es existiert), kann man ändern oder zumindest damit umgehen und im besten Fall dagegen wirken.

    Hansa wurde stark, als alle mit dem Finger auf den Osten und speziell nach Rostock zeigten. Sie schafften den Aufstieg in die 1. Bundesliga, gewonnen gegen Bayern München, als der ganze Osten gerade verlor - Arbeit, Gehalt und die existenzielle Sicherheit. Eberswalde, Lichtenhagen... usw. - ein durchaus auch kollektives Schämen, aber zugleich die Erfahrung, dass es nun sowieso diesen Stempel gibt. Spiele gegen Sankt Pauli avancierten zu einer Art Kampf politischer Ideologien... man traf sich zu verabredeten Schlägereien, um das auszutragen. 

    Ich kann dabei sein und Distanz haben ... ich laufe trotzdem nicht im Gleichschritt, aber ich weiß auch, wann es bei meinen seltenen Aufenthalten unter Ultras und Suptras für mich gesünder ist, dort nicht aufzufallen. Ansonsten sitze ich ganz normal mit den anderen Fans. Egal, wann ich dort war, konnte ich mich der Faszination für die Mechanismen, die speziell bei den Ultras (europaweit) wirken, nicht entziehen. Für mich ist und war es auch in Berlin wieder so, dass ich von der gesellschaftlichen Breite erstaunt bin, die sich dort wiederfindet und außerhalb eines Stadions nichts miteinander zu tun hätte. 

    Dass ich die Bilder beim letzten Spiel gemacht habe, war eher eine sehr spontane Sache ... sonst trage ich alle Bilder in meinem Kopf, auch das erste Mal auf der Südtribüne. Mein Sohn wollte danach nie wieder andere Karten haben ... wir galten als langweilig, wenn wir Nord oder gar Familienblock bevorzugten.

    Wer nicht will, dass im Gleichschritt marschiert wird, muss verstehen, was Menschen dazu bringt... meine Meinung.  

    Niemand muss zum Fußball gehen ... ich mag auch Handball und Volleyball und habe gerade bei letzterem auch Spaß, wenn es gegen Friedrichshafen geht. Am Ende sollte es um Sport gehen, aber man darf sich bestimmten Phänomenen auch nicht verschließen.

    Liebe Grüße Anke