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  • Pelue 17/01/2024 21:37

    Beuys' Kunstaktionen waren nach meiner Einschätzung viel mehr als Provokation und Selbstmarketing. Die Wirkung seines Schaffens hält bis heute an - das zeugt doch davon, wie sehr er sich einmischte und mit seiner Kunst anregen wollte. Seine Auffassungen zu Kunst und Künstler inkludieren Veränderungswillen und den Anstoß nachzudenken und politisch zu handeln. Seine Fett-/Filz-Projekte sind dabei sicher verschlüsselter als etwa die bekannte Aktion der "Stadtverwaldung" in Kassel im Rahmen der documenta. Siehst Du da kein "Können" in dem Sinn, den Du ansprichst? Man wird Beuys nicht gerecht wenn man sagt: das kann doch jeder (Fett ...). Das ist das gleiche Denkmuster wie das, das der abstrakten Malerei begegnet: "Was, diese Kleckserei, die beherrscht doch jedes Kindergartenkind."   

    Auch seine "Fälschungen" des Lebenslaufs (Flugzeugabschuss, der keiner war usw.) sind eher als Bestandteil seines Kunstverständnisses einzuschätzen.  Sie sind mir nicht sympathisch, das sage ich dazu schon. Sie zeugen auch für mich von einer eigenartigen Selbstüberhöhung. Aber es bleibt mein Respekt vor der Beuys'schen Erweiterung des Kunstbegriffs, der zumindest nachdenkenswert ist. 

    Interessant, dass Du das Bauhaus erwähnst. Ich bin unverbesserlicher Anhänger vieler Bauhaus-Ideen, aber ich finde, dass man das sein und gleichzeitig Beuys würdigen kann. 

    Danke für Deine Denkanstöße! Die drei Köpfe haben einen gestalterischen Wert, ohne Zweifel. Aber auch Straßenmarkierungen zur Verkehrslenkung können gestalterischen Wert haben. Ich habe sie oft genug immer wieder fotografiert weil ich einen ästhetischen Spaß an strenger Komposition von Flächen, Linien usw. habe.  

    Martin mit herzlichem Gruß.
  • der ONKEL 1 17/01/2024 22:30

    Hallo Martin
    Danke für deinen ausführlichen Kommentar.  Zitat.   Der Beuys'schen Erweiterung des Kunstbegriffs.     Das bestreite ich nicht. Das er die Kunstwelt auf links gedreht hat. Das hat Beltracchi auch gemacht. Allerdings mit soliden handwerklichen Fähigkeiten. Die sehe ich bei Beuys nicht. In der Musik...Jazz..Klassik ist es ähnlich. Wer da sein Instrument nicht absolut beherrscht,bleibt auf ewig im Kurorchester von Bad Lippspringe hängen. Warum hat Beuys keine Musik gemacht ? Er hätte nicht mal in Lippspringe eine Anstellung gefunden. Seine ganze Kunst bestand darin....nichts zu können, das aber richtig. Sein Verdienst. Er hat diesen ganzen elitären Kunstbetrieb vom Sockel gestossen. Eulenspiegelei.
    Was soll das sein ?  Einem toten Hasen seine "Werke " zu zeigen, sich anschliessend einen Papierkorb mit Federn über den Kopf zu kippen, während seine Jünger vor Entzückung durchdrehen.
    Hier mal ein Film, der das aufgreift.

    https://youtu.be/ycF_Eg7w3qw?si=-scwTZwKPERJCyPW

    l.g. werner
  • Pelue 17/01/2024 23:40

    Lieber Werner, danke Dir für den Link. Schaffe ich heute nicht mehr, aber wenn ich den Film gesehen habe, bekommst Du ein Echo! Unabhängig davon jedoch zu den handwerklichen Fähigkeiten von Beuys: Es kommt auch darauf an, wie man das definiert. Natürlich ist für exzellente Musiker die exzellente Beherrschung ihrer Instrumente notwendig, wollen sie nicht scheitern. Genauso sollte, wer ernsthaft fotografiert, seine Kamera begreifen und angemessen bedienen können. Beuys definiert Handwerkszeug sicher anders, eben "erweitert" - siehe oben. Darüber streiten wir gerade, und ich möchte Dich gar nicht banal widerlegen, ich möchte lediglich dafür werben, dass auch ein solcher Ansatz legitim ist. Es ist im Übrigen gar nicht unbedingt meiner, aber ich versuche, ihn zu verstehen, zumal seine ungeheure Wirkung für die bildende Kunst und ihre Rezeption ja nicht zu bestreiten ist. 

    Gute Nacht und herzlichen Dank für Dein offenes Ohr. Macht Spaß. 

    Martin.
  • DereL 18/01/2024 13:25

    Beuys hat schon zu seinen Lebzeiten polarisiert. Das ist nicht neu. Da gab und gibt es die, die ihn wie Jünger verehren, und es gibt die, die ihn bis zum Schlag auf seine Nase vehement ablehnen. Aber man muss sagen, dass er nur wenige gleichgültig gelassen hat. Selbst hat er sich mehr als Lehrer, denn als Künstler gesehen. Das muss man erst einmal sacken lassen.  Mit den üblichen Kunstbegriffen kam und kommt man ihm ohnehin nicht nahe.
    Wer seine Ablehnung bestätigt haben möchte, der liest z.B. „Kollaps der Moderne“ von Jost Nolte. Er schriebt 1980 u. a.: „Das Ende der Moderne und das Ende aller Traditionen hat Joseph Beuys beschworen, und folgen wir ihm, so spricht alles für das Ende der Kunst. Wenn alles Kunst ist, heißt dies, ist nichts mehr Kunst und Joseph Beuys hat sie abgeschafft. …“ Na ja, abgeschafft hat Beuys die die Kunst nicht, aber sicherlich verändert. Wer sich etwas differenzierter mit Abstand der Jahre, in denen sich so manches geklärt hat und nicht mehr so emotionalisiert gesehen wird, der liest z.B. von Christiane Hoffmans „Der Jahrhundert Künstler Joseph Beuys. Einführung in Leben und Werk.“ aus dem Jahre 2021.
    Sie schreibt u. a.: „Beuys verstand sein Werk politisch. … Sein Ziel war es, möglichst Alle zu erreichen. Sein Wunsch war es, in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, die noch von den Auswirkungen der Diktatur des Nationalsozialismus geprägt war, Impulse zu geben für die Entwicklung einer humanen Zukunft.“ Ob und wie er das geschafft hat, kann man heute sachlicher sehen und bewerten.
    Schaut man sich einige Punkte an, dann wird hinter dem ganzen schamanistischen Drumherum deutlich, dass es ihm genau um diese Bedeutung von Kunst für alle in einer humanen Gesellschaft ging. So war er jedoch für die Grünen, deren Mitglied er war, zu grün. Als Prof. der Kunstakademie Düsseldorf hat er seinen Job verloren, weil er es allen, die wollten, ohne Zugangsbeschränkung ermöglichen wollte, bei ihm Kunst zu studieren. Er verstand sich als  „Eurasier“, der demonstrativ mit Kunstaktionen den Kalten Krieg und den Kampf der Wirtschaftssysteme überwinden wollte. Das Desaster der letzten Documenta in Kassel hätte es mit ihm nicht gegeben, da er zu seiner Zeit dort 100 Tage anwesend war und seine Kunst mit dem Publikum von allen ansprechbar in einen Kontext gestellt hat. „Jeder ist ein Künstler“, gerne aus dem Zusammenhang zitiert, haben wir heute z. B. in der FC, die als Plattform für abertausende Freizeitfotografen die Möglichkeit gibt, ihre Fotos und Bilder weltweit zu veröffentlichen. Damals schon als Idee undenkbar, nicht nur technisch.
    Dann gibt es noch einen Teil seines Werkes, den man heute kritisch sieht oder noch daran arbeitet, ihn irgendwie einzuordnen. Die Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen, obwohl er immer kommuniziert hat, was er macht und will. Ganz im Gegensatz zu vielen anderen heute hochgehandelten und aktuellen Künstlern.
    Beuys aber mit Beltracchi, der ein ganz ordentlicher Handwerker ist, zu vergleichen, selbst dann, wenn man Beuys kritisch gegenübersteht oder ihn nicht ansatzweise versteht, ist allerdings mehr als gewagt. Wäre Beltracchi ein Künstler, wozu ihm trotz seiner technischen Fähigkeiten die Kraft der Kreativität fehlt, hätte er keine Künstler betrügerisch und kriminell fälschen müssen. Aber das ist ja auch in derFotografie so. Es recht nicht aus, sich teure Kameratechik anzuschaffen, sämtliche Bearbeitungstechniken am PC anwenden zu können, mit KI Bilder zu generien und stundenlang zu bearbeiten oder allein von analoger Fotografie zu schwärmen, um Künstler zu sein.
    VG
    DereL

     
    VG
    DereL