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  • Caroluspiel 01/05/2020 14:28

    ich hätte es auch so belassen. ***

    ciao Philipp
  • Twin O Caulin 01/05/2020 22:02

    Ihr Lieben,
    hätte mir nicht träumen lassen, dass dieses Bild eine Diskussion auslöst. Danke für die intensive Auseinandersetzung mit dem Bild!
    Ich glaube, dass hier eine Grundsatzfrage zum Vorschein kommt, die Lumiguel56, der mich mittlerweile sehr gut einschätzen kann, eigentlich schon für mich beantwortet hat. Begradigen der Senkrechten kommt für mich grundsätzlich (wie jede sonstige Nachbearbeitung) auf keinen Fall in Frage, weniger aus ästhetischen, sondern aus - zugegebenermaßen - "ideologischen" Gründen. Denn wenn ich mir am Rechner das "richtige" Bild zusammenbasteln kann, brauche ich strenggenommen die Kamera ja nicht mehr - was ist dann noch Fotografie? Das Rohmaterial für ein Bild könnte ich dann auf anderem Wege bekommen, und die Möglichkeiten der Bildbearbeitung sind ja grenzenlos.
    Und konkret zu den Linien: Bei dieser Szene fand ich gerade das Kippen der Linien so attraktiv, weil es das Einzige ist, was in diesem sehr statischen Bild an Dynamik vorhanden ist. Auch die beiden naheliegenden Eckenläufer habe ich bewusst vermieden, weil sie das Bild noch statischer gemacht hätten.
    Danke für eure Zeitinvestition und eure Gedanken!
    Viele Grüße
    Twin
  • Joachim Kiner 02/05/2020 8:26

    Da habe ich ja was angerichtet ;-)

    Ich möchte trotzdem noch ein paar Überlegungen hinzufügen.
    Die erste möchte ich mit einer Frage beginnen: Warum fällt jedem Betrachter auf, dass die Säulen kippen? Lumiguel56 gibt darauf bereits eine Teilantwort, deren Schlussfolgerung ich nicht stehen lassen kann, weil sie einen fundamentalen Widerspruch enthält:
    Man kann nicht auf der einen Seite von der "Tatsache der Parallelität der Säule" sprechen und auf der anderen daraus deduzieren, dass der Betrachter "vermeint" die Säulen "gerade" zu sehen. Mit dem Wissen um und über den Sehprozess, kann man aber ableiten, dass wir nicht wissen, ob das, was wir sehen, die wirkliche Wirklichkeit ist. Diese Feststellung offenbart einen wesentlichen Unterschied zwischen einem statischen Foto und dem prozessuralen Vorgang des Sehens, bei dem das (menschliche) Gehirn pausenlos damit beschäftigt ist, die empfangenen Daten zu evaluieren und zu korrigieren. Das fängt bereits damit an, dass das auf dem Kopf stehende Bild auf unserer Netzhaut um 180 Grad gedreht wird. Das Gehirn stellt m.a.W. das, was wir für die Wirklichkeit halten, kontinuierlich her.
    Das mag der Grund dafür sein, dass uns ein Foto "authentischer" erscheint, als die permanenten Projektionen in unserem Kopf.
    Ähnliches lässt sich über unseren Umgang mit einem Fotoapparat sagen. Wir glauben zwar, dass uns eine Kamera einen unmittelbaren und unverfälschten Zugang zur Wirklichkeit ermöglicht. Wir vergessen aber viel zu oft, dass eine Kamera mittels Bildprozessor - besonders im Zusammenspiel mit allen Programmautomatiken, die das "natürliche" Sehen zu imitieren versuchen - die empfangenen Daten aufbereitet und umwandelt.
    Deshalb habe ich Schwierigkeiten damit, das von einer Kamera aufgenommene Bild als das "eigentliche" bzw. "richtige" Bild zu bezeichnen und das am PC bearbeitete als das "zusammengebastelte". Vielmehr stellt für mich die Postproduktion am Rechner im simpelsten Fall den Versuch dar, Abbildungsfehler - oder das, was wir dafür halten - zu korrigieren und im extremsten, Stimmungen und Gefühle herauszuarbeiten, die das Bild nicht einfangen konnte.
    Und zum Schluss: Ob man stürzende Linien zulässt oder nicht, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Ob das aber eine Frage des Geschmacks ist? Ich finde, dass man bei aller Prinzipentreue auch immer abwägen muss, ob sich der persönliche Regelkanon auch wirklich auf jedes Motiv übertragen lässt. Es macht für mich einen wesentlichen Unterschied, ob ich eine Hochhausfassade von unten nach oben fotografiere und hier auf eine Korrektur der Senkrechten zu Gunsten einer perspektivischen Dynamik verzichte. Oder ob ich Säulen fotografiere, denen es "per se" an Dynamik fehlt - schließlich sind es Säulen - deren Statik sich aber durch eine streng geometrische Ausrichtung und Bearbeitung des Fotos herausarbeiten lässt. Minimalismus und gerade Linien machen ein Foto ja nicht zwangsläufig langweiliger, sondern können mit der Exaktheit und der Präzision der Ausführung faszinieren.
    So, das war's. Mir geht langsam die Luft aus ;-)

    Viele Grüße
    Joachim
  • Twin O Caulin 02/05/2020 11:22

    Lieber Joachim,
    da hast du in der Tat etwas angerichtet...! Und zwar einen produktiven Austausch über ein Bild - und generell über den Prozess des Sehens und die Frage, was Fotografie (nicht) zu leisten vermag. Da es naturgemäß in der FC eher üblich ist, kurz zu kommentieren und dann weiterzuklicken, schätze ich deine Form der Auseinandersetzung umso mehr. Gern auch im Gegenzug bei deinen Bildern oder bei denen von Lumiguel56 oder bei s.monreal oder anderen... Ich stimme dir in weiten Teilen zu und glaube auch gar nicht, dass deine Sicht der von Lumiguel56 widerspricht.
    Und auch ich weiß natürlich, dass die Kamera/der Chip und auch unser Auge/Hirn nicht die Realität abbilden kann, sondern dass alles subjektive Konstruktion ist. Allerdings gibt es m. E. eine fundamentale Problematik bei der nachträglichen Bearbeitung von Bildern - und deswegen lehne ich sie grundsätzlich ab -, die ich mit einer kleinen Erfahrung darstellen möchte.
    Ein von mir sehr geschätzter Fotograf der FC veröffentlichte kürzlich eine wunderschöne Aufnahme einer Landschaft im Abendlicht. Im Bildkommentar schrieb er, dass er ein neu erworbenes Programm bei diesem Bild ausprobiert hatte, mit dem man den Himmel austauschen kann. Er freute sich, dass er nun Bilder, die einen langweiligen Himmel zeigten, aufpeppen konnte, indem er den fotografierten Himmel per Mausklick durch einen spektakuläreren Himmel aus dem vorgefertigten Programmangebot ersetzen kann. Ich beschloss daraufhin, ihm nicht mehr zu folgen, denn was für einen Wert haben seine Bilder künftig noch in fotografischer Hinsicht, wenn er einfach nach Belieben Elemente des Fotos austauschen kann? Ich bin auch zuvor schon oft genug "reingefallen" auf vermeintliche Wow-Szenen, die einfach nur gut mit Photoshop künstlich am Rechner erstellt wurden, die ich aber zunächst für großartige Fotografien gehalten hatte. Da fühle ich mich im Nachhinein einfach nur ziemlich veräppelt.
    Das Begradigen von stürzenden Linien ist zwar nur ein vergleichsweise kleiner Eingriff, aber er ist, so finde ich, der Anfang des Übels. Erst begradige ich eine Linie, dann fange ich an, an der Helligkeit herumzuspielen, vielleicht ändere ich dann hier und da einen Farbton, aber irgendwann lande ich eben dort, dass ich Elemente ins Bild setze, die ich gerne im Bild haben möchte, einen dramatisch fliegenden Vogel oder was auch immer, die aber mit den Inhalten des ursprünglichen Fotos (=subjektiv festgehaltene unwiederbringliche Koinzidenz an einem Ort zu einer Zeit, von einem einzigen Standpunkt in einer bestimmten Perspektive unter nicht-wiederholbaren Umständen) nicht viel zu tun haben. Durch die Manipulationsmöglichkeiten kommt die Fotografie ins "Rutschen" - wo ist die rote Linie? Wo mache ich halt, wenn alles möglich ist? Das ist m. E. ein bisschen wie mit dem Doping im Sport. Am Ende macht er keinen Spaß mehr, weil die "Leistung" schließlich darin besteht, das beste leistungssteigernde Mittel genommen zu haben - analog dazu in der Fotografie: das beste Bildbearbeitungsprogramm verwendet zu haben.
    Ich schätze sehr wohl Fotos anderer Fotografen, die nachbearbeitet sind, bei denen man aber feststellen kann, dass die Nachbearbeitung die Güte des Fotos bloß unterstützt. Deine Bilder gehören auf jeden Fall dazu. Für mich selber habe ich allerdings den radikalen Verzicht gewählt, weil ich es als Anreiz empfinde, allein mit den Möglichkeiten der Kamera zu arbeiten, zumal sie meine Aktivität am Ort des Geschehens verlangen. Ich muss die Entscheidungen an Ort und Stelle des Geschehens fällen, muss dort meine Zeit investieren und kann mich ganz auf die Situation einlassen. Das genieße ich oft und finde es sehr entspannend und die Sinne anregend zugleich.
    Mit Vorfreude auf weiteren spannenden Austausch, natürlich nicht immer so extensiv... ;-)
    viele Grüße und schönes Wochenende
    Twin