• O.K.50 28/12/2017 20:30

    Hi Gerry,
    Vielen herzlichen Dank für Deine Anmerkung zu dem Bild hier im Speziellen und den anderen im Allgemeinen.
    Wundern? ja, schon ein wenig......wegen des FAV..üblicherweise eine besondere Herausstellung eines Bildes, ich bin mir aber nicht sicher ob es da nicht vielfach ansprechendere, bessere Bilder von Bildautoren hier gibt.
    Wie Du schon angemerkt hast, ist das Genre "Menschen" nicht der Dreh- und Angelpunkt bei meiner Art zu fotografieren, ich will mich aber da gerne auch austauschen und versuchen was dazu zu lernen. Schließlich wird immer wieder mal ein Wunsch an einen (auch mich) herangetragen, bei einer Feier o.ä. Bilder der Situation und der Leute da zu machen.
    Ich finde es am schönsten wenn die Bilder nicht allzu sehr gestellt wirken - allein, die Umsetzung ist da um Einiges anspruchsvoller als der Wille es zu tun ;-))

    Was die Überschaubarkeit meiner Bildergalerie angeht, habe ich bei dem heftigen Rundumschlag den die fc-Verantwortlichen da Ende letzten Jahres, Anfang diesen Jahres machten, nicht mehr mitspielen wollen. Ich hatte alle Bilder (inkl. der Sternchenbilder) gelöscht und auch meine Bezahlmitgliedschaft gekündigt.
    Durch einen Zufall kam ich wieder zu einer Basic-Mitgliedschaft weil ein Bild an einem bestimmten Tag die meisten Lobe und Anmerkungen bei den Freemembern bekam. Allerdings kann ich das aus rechtlichen Gründen zur Zeit nicht hier öffentlich machen (es ist in einem bundesweiten Wettbewerb der mehrfache Veröffentlichungen verbietet).

    Vielleicht hast Du ja mal den einen oder anderen Tipp für die Fotografie von Menschen - die nicht so gestellt aussehen sollen.
    Würde mich sehr freuen.

    Gruß
    Othmar
  • Dadatrixa 07/01/2018 21:11

    auch wenn ich nicht gefragt war, kann ich dir dennoch ein paar tipps geben, sofern man dies als solches überhaupt tun kann und/oder ich dafür überhaupt geeignet bin. zu allererst ist man selbst verantwortlich, denn anders als objekte haben menschen gefühle, ängste, usw — es ist also äußerst wichtig wie man selbst wirkt und agiert. nicht umsonst sagt man, dass jedes porträt bis zu einem bestimmten punkt auch eine art selbstporträt darstellt. soll heißen: was man selbst ausdrückt, oder wie man sich gibt, wird stark auf die person vor der kamera abfärben, dem sollte man sich bewusst sein und lernen damit umzugehen ggfs kann man dies sogar forcieren. ich erinner mich an eine geschichte über richard avedon, die ich mal gelesen hatte. darin stand ungeführ sinngemäß:

    ein assistent hatte die person in einen dunklen raum geführt, auf dem boden war eine markierung, hier sollte sich die person hinstellen. vor ihr im halbdunklenn stand eine große kamera (großformat) und hinter der kamera ein mensch, der nicht zu erkennen war. der fotograf sagte nichts, wartete, betrachtete die person im licht, nichts passierte, es wurde kein wort gesprochen, teilweise minutenlang, keine hinweise bzgl der pose, oder des blicks, stille. avedon lief von links nach recht, immer beobachtet er das modell er lief weiter, hatte einen fernauslöser per kabel in der hand. irgendwann, völlig unverhofft ein Blitz — foto.
    der aissietent kam, nahm das model wieder mit und brachte das nächste.

    was sagt uns das. das kann man versch sehen. zuerst kann man sagen, dass er keine pose vorgab, die person sich normal verhalten sollte und er etwas sehen wollte – authentizität? naja, wenn man sich die situation vorstellt, kann ich mir nicht vorstellen, dass dies angenehm war, für mich hat es sehr viel mit ohnmacht zu tun, unbehagen vllt sogar angst.
    aber vllt war genau das, was er erzeugen wollte, vllt machte das den reiz dieser porträts aus? vllt war die zeit aber auch nötig, um die (alltags) maske abzulegen, vllt war dies nötig, damit sich die leute auf sich besinnen und nicht mehr in der lage waren ihre maske aufrechtzuerhalten.
    ich weiß es nicht und kann mir dazu sicher kein urteil erlauben. diese gesichte zeigt aber sehr gut, wie man selbst die szene lenken kann. in dem man etwas sagt, oder wie man selbst auftritt, was man für erwartungen äußert und natürlich kann man wie avedon noch ganz andere non-verbale elmente nutzen um DAS! für (sich) zu finden und es dann zu machen.
    hier sind wir wieder am anfang meiner anmerkung. porträtfotografie hat (zumindest für mich) sehr viel mit dem fotografen selbst zu tun.

    für mich zb waren die frühen porträts (meiner »karriere«) ein weg mich selbst kennenzulernen, mit meinem stottern völlig fremde menschen anzusprechen, mit ihnen ins gespräch zu kommen und ggfs ein bild zu machen. ich hab in der zeit sehr viel über mich gelernt, indem ich mich in diese situationen gebracht habe. auch das ist teil der porträtfotografie.

    ich hoffe der text nervt nicht allzusehr :)))
  • Gerhard Körsgen 07/01/2018 21:56

    An dem was der Dadatrixa schreibt ist sehr viel wahres dran, ich finde mindestens 95%. Dennoch sehe ich manches anders und v.a. agiere ich völlig anders.
    Ich selbst halte "reine" Portraits aus genau den Gründen für nahezu unmöglich zu machen. Dahingehend dass etwas gekünsteltes, eigentlich unreales entsteht, eine Art "Versuchsanordnung". Nach meinem Empfinden sind Menschen nahezu immer am authentischsten und damit gleichzeitig am wahrhaftigsten und (wenn man Wahrhaftigkeit als "tiefen Wert" nimmt) am "schönsten" wenn sie "ganz bei sich" sind - und DAS sind sie in den meisten Fällen wenn sie NICHT BEMERKEN dass sie fotografiert werden. Weil die meisten eben KEINE geübten Schauspieler sind die ihre Physiognomie stets zu 100% im Griff haben hinsichtlich einer positiven Außenwirkung.
    Dazu kommt noch dass das isolierte Gesicht sozusagen "leer im Raum steht" weil ausgeblendet ist worauf es anspricht, ob es in sich ruht und alle Nuancen dazwischen. Es ist höchst spekulativ daraus "den Moment wo die Seele eingefangen wurde" herausdestilliert sehen zu wollen. Das ehrlichere Foto ist die gesamte Person oder zumindest eine Großteil ihrer in einer authentisch belassenen Szene zu zeigen.
    Ich hoffe mein Text nervt auch nicht allzu sehr (Dadatrixa's fand ich wunderbar !)
  • Dadatrixa 07/01/2018 22:29

    gerhard, ich glaub wir hatten schonmal ne ähnliche diskussion :)

    ich hatte nicht gemeint, das die avedon bilder »rein« sind. ich bin ganz gegensätzlicher meinung. ich wollte nur verdeutlichen, dass man sich arg bewusst sein sollte, dass man immer! lenkend eingreift. sogar wenn man selbst nicht anwesend ist und nicht den auslöser drückt. wie dieses bild beschreibt (innerhalb von 4h wurden im abstand von 5sek ca 2400 bilder per programmierten fernauslöser gemacht):



    allein die entscheidung ein bild oder eine bilder reihenfolge zu machen und danach eines oder mehrere auszuwählen, verändert die situation völlig. wenn sich die person dem auch noch bewusst ist, noch mehr.



    bzgl deiner anmerkung möchte ich weiter ausführen:
    ich hingegen glaube, dass ein mensch sein gesicht sehr wohl im griff hat, wahrscheinlich mehr als wir denken. deswegen ist es so schwer »echte« bilder nach deiner definition zu machen, weil eben sehr sehr viel mit schwingt, vor allem in der heutigen zeit. »seh ich gut aus«, »wer wird das bild sehen«, und mir fallen sicher noch 100 andere fragen ein. all das »verzerrt« das bild.
    hinzukommt, und das ist absolut nicht zu vernachlässigen, der fotografische prozess selbst. für einen (normalen) menschen ist jede zeitliche ebene unterhalb 1/30 sekunde nicht oder nicht konkret wahrnehmbar. weiterhin gibt es im menschen und speziell im gesicht keinen ruhezustand in dem sich nichts bewegt. dh in unserer realen wahrnehmung gibt es keinen komplett ruhigen zustand, also auch nicht DAS gesicht. weiterhin kann das menschliche auge auch nur immer einen kleinen teil wirklich scharf darstellen. was dazu führt, dass wir gesichter eher abstasten und aus den puzzleteilen ein ganzes zusammensetzen, und während dieses vorgangs verändert sich das gesicht permanent immer und immer wieder, kleine minibewegungen, die zu einem »bild« des gegenübers führen. da zählt viel mehr rein, als das, was man fotografisch darstellen kann.

    eine fotografie ist da anders, zum einen stellen die meisten fotografien einen zeitraum unter 1/30 sekunde dar, also einen für den menschen nicht wahrnehmbaren zeitabschnitt, weiterhin zeigt ein foto etwas, was man selbst nie wahrnehmen kann, nämlich eine vollständige schärfeebene, die so nicht existent ist fürs menschliche auge. weiterhin und das wird gern vergessen, ist der augenblick: wenn man jmd anschaut geht dieser vorbei und kommt ggfs nie wieder. die wahrnehmung des gesichts ist also gar nicht allzusehr auf das eine bild fixiert, sondern eher eine abfolge von bewegeungen. weiterhin, optimiert das gehirn, lässt dinge weg, fügt andere hinzu, all das führt zu einem »latenten« bild – nichts davon ist konkret!

    ein foto hingegen ist beständig/konkret man kann sogar sagen erbarmungslos, man kann es immer und immer wieder anschauen/lesen. man kann zurückkehren, man kann es aufgrund der zeit in versch. lebens und wissens zuständen anschauen und immer und immer wieder neu entdecken – es bleibt genau so, für immer.
    gleichzeitig rückt der moment der aufnahme unendlich weiter in die vergangenheit, wir schauen also auf etwas, was war - also vergangen ist. in diesem zusammenhang schreibe ich absichtlich nicht wahr (mit h), denn eine realität unter 1/30 sekunde gibt es nicht. bilder und speziell porträts sind also aus einer »anderen« welt. wahrscheinlich sind sie deshalb so interessant.

    und so wird glaube ich deutlich, warum es schier unmöglich ist, eine person darzustellen. da red ich nichtmal davon, dass ich der meinung bin, dass man an einem porträt die person eh auf keinen fall erkennen kann. ich bin der meinung, dass, wenn überhaupt, man eine idee bekommt, diese aber eher aus dem eigenem wissen oder der eigenen vorstellung entspringt und wahrscheinlich nicht viel mit der person selbst zu tun hat. wir sehen, was wir sehen wollen bzw. was wir kennen und/oder glauben zu sehen. es heißt nicht ohne grund erkennen bzw wiedererkennen.

    ich hab lange mit den porträts von ruff zu tun gehabt und wirklich lange texte verfasst dazu und habe versucht, zur person vorzudringen. im endeffekt musste ich mir eingestehen, dass alles, was ich zu den personen sagen konnte, entweder genau das war, was ich im vorfeld wusste - zb namen, das es studienkollegen von ihm waren, sogar die zeitliche einordnung ist nur möglich, weil ich eben weiß, oder ich mir anhand von bilder und videos angeeignet hatte, wie man zu der zeit rumlief. all das sagt mir das bild nicht. das bild sagt mir form, farbe, man kann beziehungen erkennen, bildaufbau, kontraste – aber personen erkennen? ich zweifel stark.

    man muss in der eigenen beschäftigung einfach nur diesen satzanfang benutzen:

    Ich sehe, …

    Dann wird schnell deutlich, was man wirklich sieht und somit wird deutlich, welche informationen ein bild wirklich in sich trägt und welche man von außen hineinlegt oder gar interpretiert oder eben wissen, glaube zu wissen oder auch gefühle mit gesehenem verwechselt.


    :)